Das „alternative“ Porto

Das „alternative“ Porto

Während die Sehenswürdigkeiten in meinem Beitrag https://menschandrea.de/das-touristische-porto/ 99,9 % aller Touristen besichtigen, will ich euch hier ein paar Geheimtipps zeigen.

Ein Hinweis: auf den Fotos vom Friedhof seht ihr einen strahlend blauen Himmel, während er auf den anderen Fotos bedeckt ist. Das hat den Grund, dass ich auf dem Friedhof an einem anderen Tag, bei Sonnenschein, war. Tatsächlich liegt er aber sogar am Beginn der Route, die Anke und ich zwei Tage später gemacht haben. Wie in https://menschandrea.de/das-touristische-porto/ könnt ihr also auch hier die Stationen der Reihe nach ablaufen.

Es gibt in Porto zwei sehenswerte Friedhöfe: den Cemitério Prado do Repouso, der erste öffentliche Friedhof der Stadt, und den Cemitério da Lapa, ein katholischer Privatfriedhof. Da der Cemitério da Lapa in der Nähe unserer Wohnung lag, habe ich mich für einen Besuch dort entschieden.

Zunächst ein bisschen (Kirchen-)geschichte: 1755 wurde in Porto die Irmandade de Nossa Senhora da Lapa („Bruderschaft Unserer Lieben Frau von der Lapa“) gegründet. Dabei handelt es sich um eine Laienbruderschaft, also kein Orden, sondern ein Zusammenschluss von Gläubigen, die religiöse und soziale Aufgaben übernehmen. Bis heute ist sie aktiv. 1756 begann der Bau ihrer Kirche Igreja da Lapa, der allerdings erst 1863 vollendet wurde.

1832/1833 wurde Porto fast ein Jahr lang belagert. Eine Folge davon war der Ausbruch der Cholera. Die vorhandenen Friedhöfe reichten für die vielen Toten nicht aus. Daher bat die Bruderschaft darum, neben ihrer Kirche einen privaten Friedhof errichten zu dürfen.

Es ist ein vergleichsweise kleiner Friedhof, der damals noch am Rande Portos lag, mittlerweile aber inmitten dichter Bebauung – wobei die Dächer der Grabkapellen wie ein Teil des umliegenden Viertels wirken.

Es gibt Familiengräber in Form von Steinplatten, wie man sie auch auf modernen portugiesischen Friedhöfen findet, es gibt Grabkapellen, und es gibt riesige, kunstvolle Grabstellen.

Und es gibt diese Inschrift an einem Grab, die ich zunächst nur fotografiert habe, weil sie so schön aussieht.

Nachdem ich sie übersetzt habe, gefällt sie mir noch viel besser:

„Großmutter Milinha (1923–2021), Freundin, altruistisch, lustig, Sängerin

„Es lebe Felgueiras, das guten Wein gibt, ach, wer gäbe mir, wer gäbe mir ein kleines Viertelchen. Ich habe schon alle Tavernen durchstreift, jede ist besser als die andere. Es ist besser, das Geld in den Tavernen auszugeben, als in der Apotheke, das ist schlimmer.“

Ist das nicht ein schöner Nachruf?

Direkt neben dem Stadtviertel Lapa liegt das Viertel Cedofeita, das sich in den letzten Jahren zu einem Studenten- und Künstlerviertel entwickelt hat. Wir sind die Rua de Cedofeita hinuntergegangen.

Wer sich für Streetart interessiert, entdeckt dort einiges, auch in der Nebenstraße Rua de Miguel Bombarda.

Die beiden Fliesenmotive, die mit BerriBlue gekennzeichnet sind, machten mich neugierig, und ich habe ein bisschen recherchiert. BerriBlue ist eine polnisch-irische Künstlerin, die seit 2015 in Porto lebt. In ihrer Arbeit greift sie persönliche und existenzielle Themen auf: mentale Gesundheit, Sterblichkeit, Identität, Sexualität. Seit etwa 2019 arbeitet sie vermehrt mit Azulejos. Wer mehr über sie und ihre Werke wissen möchte:

https://www.berriblue.com

In einer weiteren Nebenstraße, der Rua do Breiner, entdeckten wir dies:

Von der äußeren Aufmachung sah es für uns eher nach einem Sex-Shop aus. Im Internet habe ich dazu wenig gefunden. Fotos zeigen jedoch, dass es tatsächlich ein Museum ist, das erotische Kunst zeigt.

Weiter Richtung des Ufers des Douro fanden wir einen sehr schönen Park.

Er befindet sich auf einem Platz, auf dem früher Seile („cordas“) gedreht wurden. Daher hieß er ursprünglich Jardim da Cordoaria. 1924 erhielt er den offiziellen Namen Jardim de João Chagas, zu Ehren des portugiesischen Journalisten, Schriftstellers und Politikers João Chagas. Der alte Name ist jedoch unter Einheimischen noch immer gebräuchlich.

Ungewöhnlich sind seine Platanen.

Sie wurden bereits im 19. Jahrhundert gepflanzt. Durch das regelmäßige Beschneiden und Kappen sind Verdickungen, Narben und Wucherungen am Stamm und an den Ästen entstanden. Außerdem wurden manche der Platanen von einem Pilz („Platanenkrebs“) befallen. Zwar konnten viele Bäume gerettet werden, aber der Befall hat ihre Wuchsform zusätzlich verformt.

Besonders ins Auge fallen auch mehrere Bronzefiguren von Juan Muñoz, einem spanischen Bildhauer („Treze a rir uns dos outros“, „Dreizehn, die übereinander lachen“).

Während sie erst 1999 geschaffen wurden, sind andere 70 Jahre älter, so A Menina Nua” (wörtlich übersetzt „Das nackte Mädchen“, wobei nackt hier wohl eher im übertragenen Sinne zu deuten ist) vom portugiesischen Bildhauer António Teixeira Lopes

und “Meninos” („Kinder“) von João Rodrigues

Ganz in der Nähe des Parks befindet sich das Berufungsgericht (Tribunal da Relação do Porto) mit der Aufschrift „“DOMVS IVSTITIAE” (lateinisch für „Haus der Gerechtigkeit“).

Wenn euch das Gebäude an Monumentalbauten faschistischer Diktaturen erinnert, liegt ihr richtig: es wurde 1937 während der Salazar-Diktatur (Estada Novo) errichtet.

Die große Figur stellt die Göttin Justitia dar. Üblicherweise wird sie mit Augenbinde (Unparteilichkeit), Waage (Abwägen von Argumenten und Beweisen) und Schwert (Durchsetzung des Rechts) dargestellt. Hier fehlt die Augenbinde. Eine Justitia mit offenen Augen bedeutet: Sie ist wachsam und sieht alles. Das passte ideologisch zur damaligen autoritären Staatsauffassung, die Ordnung und Kontrolle betonte.

Für alle, die – wie ich – wenig über die Salazar-Diktatur wissen (außer dass sie 1974 durch die Nelkenrevolution, einen unblutigen Militärputsch, beendet wurde): António de Oliveira Salazar wurde zunächst Finanzminister und ab 1932 Ministerpräsident. Ab 1933 gab es nur noch eine Partei, die União Nacional. Alle anderen Parteien – Liberale, Sozialisten, Kommunisten – wurden verboten und ihre Mitglieder verfolgt. Zeitungen, Bücher, Theaterstücke und Filme wurden streng kontrolliert und zensiert. Proteste von Studierenden (besonders in den 1960er Jahren) wurden brutal niedergeschlagen. Zentrale Institution für die Repressionen war die Geheimpolizei PIDE.

Mögen solche Zeiten (nicht nur in Portugal) nie wiederkommen….

Unser Weg führte uns ziemlich steil bergab hinunter zum Douro. Entlang des Douro wollten wir nach Foz laufen – einem Stadtteil Portos, wo der Fluß in den Atlantik mündet.

Am Ufer konnte ich dann zwar ein romantisches Regenfoto schießen.

Wegen eines großen Museumskomplexes konnten wir dort aber nicht weiterlaufen, sondern mussten auf den Fußweg an der Straße ausweichen.

Auf dem nächsten Streckenabschnitt war der Autoverkehr auf eine Brücke entlang des Ufers „ausgelagert“.

Dort gab es auch einen Fußweg. Wir hielten uns lieber an die Trasse der historischen Straßenbahn.

Die Ponte da Arrábida

Dort wird auch Bridge Climbing angeboten, was uns angesichts der Höhe ziemlich abgeschreckt hat.

Erst jetzt, bei der Erstellung dieses Beitrages habe ich festgestellt, dass es weder gefährlich noch besonders anstrengend ist.

Das Foto stammt nicht von mir. Ich darf es aber mit freundlicher Genehmigung von

https://www.portobridgeclimb.com/?lang=en

verwenden. Ich habe mir fest vorgenommen, wenn ich nochmal nach Nordportugal komme (was wahrscheinlich ist), die Brücke zu besteigen!

In Foz erwartet uns ein gerader Weg und eine tolle Aussicht auf den Mündungsbereich des Douro…

Wir konnten auch bei einer Palmenpflanzaktion zusehen.

Das gestaltete sich aber ziemlich langwierig, so dass wir die Arbeiter alleine weiterarbeiten ließen.

Unser Ziel war der älteste Leuchtturm Portugals. Den konnten wir aber nur von weitem sehen, weil die Mole gesperrt war. Aus gutem Grund:

Interessant war, dass es trotz der Riesenwellen am Land windstill war. Die Wellen müssen also durch einen Sturm auf dem Atlantik entstanden sein. Wahnsinn (und ein bisschen erschreckend), dass sie trotzdem noch eine so gewaltige Kraft entwickelten.

Nach dem Laufen und den vielen Eindrücken waren wir dann froh, dass wir für die Rückfahrt die historische Straßenbahn nutzen konnten.

Die einfache Fahrt kostet 6 €, und man kauft die Tickets beim Fahrer.

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