Impressionen aus der östlichsten Stadt Deutschlands: Görlitz

Impressionen aus der östlichsten Stadt Deutschlands: Görlitz

Görlitz stand schon lange auf meiner To-See-Liste, und so nutzte ich einen Gerichtstermin beim dortigen Landgericht, um noch einen Tag „dranzuhängen“. Zwei Tage waren allerdings eindeutig zu kurz, aber für ein paar erste Impressionen reichte es – und die teile ich gerne mit euch.

Im späten Mittelalter war Görlitz, wo sich die Via Regia von Russland nach Spanien und die Salzstraße von Böhmen bis an die Ostsee kreuzten, eine reiche Handelsstadt.

Ihre zweite Hoch-Zeit erlebte die Stadt im 18. Jahrhundert durch die industrielle Revolution. Neben traditionellen Tuchfabriken und Wollspinnereien entwickelten sich Maschinen- und Waggonbaufabriken. Die Einwohnerzahl stieg sprunghaft an, so dass sich die Stadt weit über die heutige Altstadt hinaus ausbreitete. Viele der damals entstandenen prächtigen Geschäfts- und Wohnbauten sind heute noch vorhanden.

Dies auch deshalb, weil Görlitz im 2. Weltkrieg kaum zerstört wurde. Eine negative Folge für die Stadt war aber ihre Teilung. Im Potsdamer Abkommen von 1945 wurde die Oder-Neisse-Grenze als deutsch-polnische Grenze festgelegt. Der östliche Teil von Görlitz wurde daher die polnische Stadt Zgorzelec.

Die Wohnungsbaupolitik der SED setzte auf moderne Neubausiedlungen am Rande der Stadt. Die Altstadt verfiel dagegen zunehmend. Daher war die Wiedervereinigung nicht nur für die Menschen, sondern auch für die Gebäude ein Glücksfall. Nach der Wende flossen Millionen in die Sanierung der Stadt (darunter knapp 11 Millionen Euro von einem bis heute unbekannten Spender).

Heute präsentiert sich Görlitz mit über 4000 weitgehend restaurierten Kultur- und Baudenkmälern der verschiedensten Epochen (von der Gotik über die Renaissance bis zur Gründerzeit und dem Jugendstil) als größtes zusammenhängendes Denkmalgebiet Deutschlands:

Altstadt

Zu den Wahrzeichen der Stadt gehört die große Pfarrkirche St. Peter und Paul.

Grenzstadt

Seit 1998 bilden Görlitz und Zgorzelec eine grenzüberschreitende Europastadt. Sie stimmen sich bei ihrer Stadtentwicklung ab. Vor allem aber gibt es viele gemeinsame Infrastrukturprojekte, zum Beispiel einen einheitlichen ÖPNV oder der Aufbau eines gemeinsamen, klimaneutralen Fernwärmenetzes. Mit ist auch aufgefallen, dass man in Görlitz viel polnisch hört. Ich gehe davon aus, dass in Görlitz viele Pol*innen arbeiten und vielleicht sogar wohnen.

Seit 2004 gibt es wieder eine Verbindung für Fußgänger*innen über die neuerbaute Altstadtbrücke; sie war am 7. Mai 1945 ebenso wie alle anderen Neiße-Brücken gesprengt worden. Ich habe es diesmal nur „auf“ die Brücke geschafft. Beim nächsten Besuch werde ich mir natürlich auch Zgorzelec anschauen.

Die Altstadtgassen von Görlitz haben abends eine ganz besondere Atmosphäre.

„Görliwood“

Interessant an Görlitz ist, dass durch die Stadt „ein Hauch von Hollywood weht“. Seit den 50er Jahren war die Stadt Drehort für über 100 Fillmproduktionen. 2003 war erstmals Hollywood zu Gast: Für den Film „In 80 Tagen um die Welt“ mit Jackie Chan verwandelte sich der Untermarkt in das Paris des 18. Jahrhunderts; die Landskron Braumanufaktur wurde der Hafen von New York. Weitere bekannte Filme mit internationalen Stars sind „Der Vorleser“, „Inglorious Basterds“, „Die Vermessung der Welt“ und „Monuments Men“.

Große Teile des Filmes „Grand Budapest Hotel“ wurden im Winter 2013 in Görlitz gedreht. Der Film erhielt vier Oscars, darunter eine für das beste Szenenbild.

Die Innenaufnahmen des Hotels entstanden in einem ehemaligen großen Kaufhaus.

„Original“-Görlitz zeigt seit 2016 die ARD-Krimiserie „Wolfsland“ mit Yvonne Catterfeld und Götz Schubert.

Kulturhistorisches Museum

Das Kulturhistorische Museum mit verschiedenen Ausstellungen und Sammlungen ist auf fünf Gebäude verteilt: neben dem Nikolaiturm, dem Biblischen Haus (nur bei Führungen zu besichtigen) und dem Reichenbacher Turm (im Winter geschlossen) die Kaisertrutz und das Barockhaus.

Für die Kaisertrutz und das Barockhaus habe ich ein Kombiticket gekauft. Dieses gilt zwei Tage. Da ich jedoch nur einen Tag Zeit hatte, habe ich beide an einem Tag besichtigt (mit Schwerpunkt Barockhaus). Beide Ausstellungen sind jedoch so vielfältig und interessant, dass ich euch empfehle, euch wirklich Zeit dafür zu nehmen. Bei meinem nächsten Görlitz-Besuch werde ich das auch so machen.

Das Barockhaus wurde in den Jahren 1726 bis 1729 vom Leinwand- und Damastkaufmanns Johann Christian Ameiß als Wohn- und Geschäftshaus erbaut.

Es zeigt einerseits die barocke Ausstattung der Wohnräume einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie.

Ab 1801 gehörte das Gebäude der „Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften“, so dass man zum anderen einen eindrucksvollen Einblick in deren wissenschaftliche Sammlungen erhält, darunter das Physikalische Kabinett mit seinem einzigartigen Bestand an Instrumenten und Apparaten der Experimentalphysik des ausgehenden 18. Jahrhunderts.

Aus meiner Sicht das absolute Highlight ist jedoch der 1807 eingerichtete historische Bibliothekssaal.

Tipp: Von April bis Oktober werden Führungen durch die Bibliothek angeboten.

Der Kaisertrutz ist eine zwischen 1490 und 1520 errichtetes Verteidigungsbastei. Seit 1932 ist er ein Ausstellungsgebäude der Görlitzer Sammlungen. Gezeigt wird die kulturgeschichtliche und spannende Entwicklung der Region und Stadt seit der Steinzeit bis 1990.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert