Lollapalooza-Festival Berlin: 5 Gründe, warum man (auch) mit Ü 50 aufs Lollapalooza-Festival gehen kann

Lollapalooza-Festival Berlin: 5 Gründe, warum man (auch) mit Ü 50 aufs Lollapalooza-Festival gehen kann

Seit 2005 findet jährlich das Lollapalooza Festival in Chicago statt. Nach Europa, konkret: nach Berlin kam es 2015. Nachdem es auf dem Tempelhofer Feld, im Treptower Park und auf der Galopprennbahn Hoppegarten veranstaltet wurde, fand es 2018 ein festes „Zuhause“ im Olympiastadion und auf dem Maifeld.

Ich war (zusammen mit meiner allerbesten Freundin Anke) 2017 zum ersten Mal dort – eigentlich eher zufällig, weil es uns nur um den Auftritt von „Mumford & Sons“ ging. Es hat uns aber so gut gefallen, dass wir 2018 und 2019 wieder dabei waren. 2020 und 2021 fiel es Corona zum Opfer. Umso mehr haben wir uns gefreut, dass es am 24. und 25. September 2022 endlich wieder stattfand.

Doch was gefällt uns daran so gut?

1. Alle sind willkommen

Natürlich ist die Hauptzielgruppe, die junge Instagram-Generation, vor allem vertreten. Aber man sieht auch viele Ältere und Familien mit Kindern. Und niemand wird schief angeschaut, sondern man fühlt sich als Teil einer Gemeinschaft, die Musik hören, tanzen und Spaß haben will. Witzige Verkleidungen und viel Glitzer inklusive…

2. Es gibt sehr unterschiedliche Musikrichtungen

Das Lollapalooza-Plakat, auf dem aufgeführt ist, welche Bands und Musiker am Samstag und Sonntag auftreten.

Wenn im Frühjahr das Line Up herauskommt, passiert jedesmal das gleiche: bei ein, zwei, drei, vier Musiker*innen oder Bands bin ich sofort begeistert, dass ich sie erleben darf. Einige andere kenne ich zwar, mag sie aber nicht so wirklich. Und die meisten sagen mir gar nichts. Anke kennt durch ihre Töchter zwar mehr der aktuell angesagten Künstler*innen als ich, aber im wesentlichen ist es bei ihr ähnlich. Aber wenn der September naht, hören wir in einzelne Alben hinein, tauschen uns aus, und haben dann einen ungefähren Plan, welche Auftritte wir uns (sicher oder vielleicht) anschauen wollen.

Es gibt fünf Bühnen, so dass man immer auch eine Auswahl hat: Die „Perry’s Stage“ im Olympiastadion, wo DJs elektronische Musik auflegen (nichts für mich…). Die „North Stage“ und die „South Stage“, wo abwechselnd die bekannteren Bands und Musiker*innen auftreten. Die „Alternative Stage“ für (noch) unbekannte Künstler*innen oder solche mit einer kleineren Fangemeinde. Und eine kleine Bühne im „Weingarten“, die ich musikalisch nicht so recht einordnen kann.

Und was waren meine ganz persönlichen Höhepunkte beim Lolla Berlin 2022?

In alphabetischer Reihenfolge:

Anne-Marie

Sie heißt eigentlich Anne-Marie Rose Nicholson und wurde 1991 in einem kleinen Ort in Essex, Großbritannien, geboren. Ihr größter Wunsch war schon als Kind, Sängerin zu werden, wobei Christina Aguilera ihr Vorbild war. Mit Anfang Zwanzig hatte sie erste Auftritte mit Bands, und mit der britischen Popband Rudimental war sie zwei Jahre auf Tour. 2015 veröffentlichte sie ihre erste eigene EP „Karate“. Danach folgten viele Singles und 2018 ihr erstes Album „Speak Your Mind“, mit dem sie weltweit auf Tour ging. Ihr zweites Album, „Therapy“, erschien 2021.

Obwohl sie mittlerweile eine bekannte Pop-Sängerin ist, hatte ich von ihr noch nichts gehört. Es war ein Tipp von Anke (eigentlich von ihrer jüngsten Tochter…), und er hat sich gelohnt. Ihre Songs gefallen mir nicht nur musikalisch. Sie enthalten auch wichtige Botschaften, gerade an (junge) Frauen: seid selbstbewusst und liebt euch so, wie ihr seid. Außerdem hat sie eine natürliche Ausstrahlung und man spürt, wie sehr es ihr Spaß macht, auf der Bühne zu stehen.

AnnenMayKantereit

Blick über viele Menschenköpfe, die wegen der Dunkelheit nur unscharf zu sehen sind, auf eine große Bühne. Auf dieser sieht man in der Mitte nur kleine, blau angestrahlte Menschen. Links und rechts Leinwände, auf der Henning May mit Gitarre und in ein Mikrofon singend groß zu sehen ist.

Die Kölner Band ist sicherlich vielen bekannt. Gegründet wurde sie nach ihrem Abitur 2011 von Christopher Annen, Henning May und Severin Kantereit. Sie waren zunächst Straßenmusiker und veröffentlichten ihre Songs auf ihrem YouTube-Kanal. 2016 kam der Durchbruch mit dem Album „Alles nix konkretes“, 2018 folgte „Schlagschatten“, 2020 „12“. Charakteristisch für ihre Musik sind die markante, raue Stimme ihres Sängers Henning May, aber auch ihre eingängigen Texte.

Ich habe sie das erste mal live erlebt, und es war ein tolles Gefühl, zusammen mt vielen Fans die Lieder mitzusingen. Und man spürte, dass es den Musiker*innen genauso ging. Nachdem das letzte Album, das in der Corona-Zeit erschien, eher düster wirkte, war jetzt die pure Freude zu spüren, wieder in direktem Kontakt mit dem Publikum zu stehen.

Joy Denalane

Eine Bühne, vor der viele Menschen stehen. Auf der Bühne Joy Denalane, singend, mit vielen Musikern.
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Ihr Vater, ein Südafrikaner, verliebte sich während seines Studiums in Deutschland in eine Heidelbergerin. Joy wurde 1973 als drittes von sechs Kindern in Berlin geboren. Ihre musikalischen Anfänge lagen vor allem im Hip-Hop. Ende der 90er Jahre wurde sie Sängerin bei der Band „Freundeskreis“. 2002 veröffentlichte sie ihr erstes Solo-Album „Mamani“, und damit begann ihre Karriere als grandiose deutsche Soulsängerin. Dieses Album spiegelt sowohl ihre deutschen als auch ihre südafrikanischen Wurzeln wieder. Weitere Alben waren 2006 „Born & Raised“, 2011 „Maureen“ (mit deutschen Texten; 2012 erschien das Album mit englischen Texten), 2017 „Gleisdreieck“ und 2020 „Let Yourself Be Loved“, das beim bekannten US-Label Motown erschien. Joy Denalane ist die erste deutsche Sängerin, die dort veröffentlichte.

Und das, soweit ich es als musikalischer Laie beurteilen kann, völlig zu Recht. Sie hat eine unglaubliche Ausstrahlung und eine tolle Stimme. Und ihr Auftritt, der überwiegend „reiferes“ Publikum ansprach, zeigte die Vielfalt der Musik auf dem Festival. Danke dafür, liebes Lollapalooza-Team… und gern mehr davon 2023…

Kraftklub

Die 2010 gegründete Band besteht aus dem Sänger Felix Brummer, seinem Halbbruder Till Brummer (wobei beide mit Nachnamen eigentlich Kummer heißen), Karl Schumann, Steffen Israel und Max Marschk. Geboren sind sie alle kurz vor dem Fall der Mauer in Karl-Marx-Stadt (heute: Chemnitz). 2011 traten sie mit „Ich will nicht nach Berlin“ als Beitrag Sachsens beim Bundesvision Song Contest an. Dort wurden sie zwar „nur“ 5., aber damit begann der Erfolg der Band. 2012 erschien ihr Debüt-Album „Mit K“. 2014 folgte „In Schwarz“, 2017 „Keine Nacht für Niemand“ und einen Tag vor dem Lollapalooza-Festival ihr aktuelles Album „Kargo“.

Ich bin schon länger Fan der Band. Ihr Musikstil, eigentlich eine Mischung aus mehreren (Indie, Punkrock, Rap), lässt sich schwer beschreiben. Auf jeden Fall ist es laut, aber eingängig und mit interessanten Texten. Diese sind oft politisch; sie stehen zu ihrer Ostherkunft; mit klarem Bekenntnis gegen Rechtsextremismus. 2018 veranstalteten sie aus Protest gegen rechtsextreme Ausschreitungen in Chemnitz ein Konzert unter dem Motto „Wir sind mehr“.

2019 habe ich sie auf dem Lollapalooza-Festival das erste Mal live erlebt, und dieses Jahr jetzt wieder. Das kann, wenn es nach mir geht, gern zur Lollapalooza-Tradition werden.

Milky Chance

Milky Chance ist, was für mich überraschend war, eine deutsche Band. Nach ihrem Abitur 2012 wurde sie von Clemens Rehbein und Philipp Dausch gegründet. Die von Clemens Rehbein geschriebenen und gesungenen Lieder veröffentlichten sie zunächst auf YouTube. Mit dem Song „Stolen Dance“, der dort mehrere 100.000 Klicks bekam, wurden sie bekannt. Sie gründeten dann ihre eigene Plattenfirma, bei der sie 2013 ihr erstes Album „Sadnecessary“ herausbrachten. Nachdem es 2014 auch in den USA veröffentlicht wurde, begann der weltweite Erfolg der Band mit ausverkauften Tourneen in den USA, Kanada, Australien, Neuseeland und Südafrika. 2017 erschien das Album „Blossom“, 2019 „Mind The Moon“. Ihr neuestes Album „TripTape“ (2021) ist ein Mixtape aus der erfolgreichen Single „Colorada“, Demos und Coverversionen.

Auch ihre Musik ist eine einzigartige Mischung mehrerer Musikstile; auf Wikipedia werden sie als Folktronica-Band bezeichnet (was immer das auch heissen mag…). Egal: die Songs machen gute Laune, und man kann dazu wunderbar tanzen. Und richtig sympathisch und bodenständig sind die Musiker, vor allem der Sänger Clemens Rehbein, auch noch.

3. Man wird überrascht

Der Vorteil eines Festivals gegenüber einem Konzert ist, dass man beim Herumschlendern immer Musik hört und dann mal kurz stehenbleibt oder auch mal länger, wenn es interessant ist. So sind wir bei 1986zig gelandet.

Eine Bühne auf einer grünen Wiese. Davor stehen oder sitzen Menschen. Eine Frau im Vordergrund hält einen Regenschirm. in der Mitte der Bühne ganz klein der Sänger. An der schwarzen Rückwand steht in weißer Schrift "1986zig". Links und rechts Leinwände, auf denen man den Sänger in groß sieht. Er trägt eine Sturmmaske mit Öffnungen für die Augen und den Mund.

Rein optisch hätte ich den Sänger mit der Sturmmaske in die Richtung Rap oder ähnliches verortet. Überraschend gefühlvoll waren aber seine Lieder. Diesen Bruch erklärt er ein Stückweit in dem Song „Zweite Chance“. Kinderheim, Strafvollzug, Einsamkeit, aber dann die zweite Chance mit Beziehung und Kind. Bekannt wurde 1986zig (der seine Identität geheimhält) mit seinen Musikvideos auf TikTok, Instagram und YouTube.

Das zweite Überraschungsmoment waren für mich Die Fantastischen Vier. Smudo, Deejot Hausmarke, And.Ypsilon und Thomas D (ihre bürgerlichen Namen sind bekannt, interessieren aber niemanden) machen seit 1989 zusammen Musik und sind die „Gründerväter“ des deutschen Hip-Hop. Mit dieser Musik konnte ich noch nie viel anfangen, und daher wäre ich nach dem Auftritt von Joy Denalane nach Hause gefahren. Aber Anke freute sich richtig auf Fanta 4; also blieb auch ich – sowas gehört zu einer Freundschaft.

Eine große Bühne. Davor viele Menschen von hinten im Dunkeln. Auf der Bühne kleine Menschen. Viele Scheinwerfer sind auf sie gerichtet. Auf großen Leinwänden ein Sänger mit nach rechts gerichteter Basecap.
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Meine Skepsis schlug bald in Überraschung um. Die Vier, immerhin schon Mitte 50, boten eine großartige, moderne Show. Außerdem spürte ich, dass diese über 30 Jahre Musik und enge Vertrautheit ihr Leben ist und es hoffentlich noch viele Jahre sein wird. Witzig war ausserdem, dass viele Ältere mit ihren (erwachsenen) Kindern da waren, die etwas irritiert beobachteten, wie ihre Eltern „abgingen“. Fazit: ein Fan werde ich sicher nicht, aber es hat sich gelohnt.

4. Es gibt mehr als Musik

Auch wenn die Musik natürlich das wichtigste ist, gibt es noch viel mehr zu sehen und zu erleben: Fashionpalooza, Grüner Kiez und Fun Fair. Letzteres hat mich in den letzten Jahren am meisten begeistert: Fantasiegestalten, die über das Gelände laufen, Akrobatik, witzige Aktionen. In diesem Jahr war das Angebot etwas „dünn“. Ich hoffe, beim nächsten Mal gibt es wieder mehr davon…

5. Alle sind entspannt

2019 waren circa 85.000 Menschen auf dem Festival. In diesem Jahr waren es sicherlich etwas weniger, aber es war natürlich trotzdem voll. Trotzdem läuft alles völlig streßfrei ab. Die zahlreichen Ordner*innen und auch die Polizist*innen, die für alle Fälle vor Ort sind, haben kaum etwas zu tun. Kein Meckern, wenn man mal anstehen muss, keine Streitereien, keine Alkoholexzesse. Die gute Organisation trägt das ihre dazu bei. An- und Abreise mit S- oder U-Bahn, der Einlaß mit den Taschenkontrollen, die Versorgung mit Essen und Trinken, bargeldloses Bezahlen – alles problemlos. Und auch wenn einen im Alltag der Streß schnell wieder einholt – ein bisschen Lollapalooza-Feeling nimmt man doch nach Hause mit…

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