Polen: Breslau
Ich erkunde und erlebe im Urlaub gern fremde Städte. Normalerweise ist mein Ziel dabei eine Stadt, von der aus ich dann auch Ausflüge in die Umgebung mache. Mein Sommerurlaub 2023 war etwas anders: drei polnische Städte (Breslau, Krakau und Warschau) in zehn Tagen!
Mein erstes Ziel war Wroclaw/Breslau. Die erste Frage, die ich mir schon in Vorbereitung der Reise stellte, war: welchen Namen soll ich verwenden? Lissabon statt Lisboa, Prag statt Praha, Florenz statt Firenze – alles kein Problem. Hier aber liegt der Fall anders, denn 700 Jahre war Breslau eine preußische/deutsche Stadt. Nach dem 2. Weltkrieg musste Deutschland alle Gebiete östlich der Oder und Neiße an Polen abtreten. Dazu gehörte auch Breslau. Die deutschen Einwohnerinnen und Einwohner mussten ihre Häuser und Wohnungen verlassen, und es wurden Menschen aus dem östlichen Teil Polens, der an die Sowjetunion ging, dort angesiedelt. Aus dem deutschen Breslau wurde das polnische Wroclaw, und das möchte ich respektieren. Andererseits: mit dem Namen Wroclaw kann in Deutschland kaum jemand etwas anfangen. Ich habe daher eine Kompromisslösung gefunden: in Polen habe ich immer den Namen Wroclaw verwendet (in der Hoffnung, dass ich es einigermaßen richtig ausgesprochen habe…). Hier in Deutschland (und auch in diesem Blog) bleibe ich bei Breslau.
Übrigens: Spuren der deutschen Geschichte der Stadt sind immer mal wieder zu finden.
Die Altstadt
Sie ist wohl der schönste Teil Breslaus (und, soviel will ich schon mal verraten, für mich die schönste Altstadt der drei Städte). Lasst einfach mal die Bilder auf euch wirken…
Im Zentrum der Rynek (Marktplatz) und der Salzmarkt mit den bunten, prächtigen Bürgerhäusern…
…das Rathaus…
…die Magdalenenkirche….
Der schmale Steg zwischen den beiden Türmen in 45 m Höhe ist als „Brücke der Büßerinnen“ oder auch „Hexenbrücke“ bekannt. Dies geht, wie ich nachgelesen habe, auf folgende Legende zurück:
„Es war einmal in Breslau ein schönes, aber eitles und faules Mädchen. Sie hieß Tekla. Sie putzte sich nur aus, besah sich ständig im Spiegel und verdrehte den Jungen den Kopf, obwohl sie überhaupt nicht gedacht hat zu heiraten.
Einmal hat der Vater in Zorn geraten und die Tekla wegen ihres Leichtsinns, Eitelkeit und Faulheit mit einem Fluch belegt. In derselben Nacht wurde Tekla entführt und an die Brücke zwischen den Kirchtürmen hoch gebracht – zur Strafe wegen ihrer Eitelkeit sollte sie jeden Tag bis in alle Ewigkeit die Brücke kehren.
Da halfen weder Tränen, noch Bitten, noch Geschrei der Tekla – weit über den Wolken hörte niemand sie. Jahre sind vergangen. Tekla wurde älter, hässlich und das beschmierte Gesicht zeigte nicht mehr die frühere Schönheit.“
http://www.katedramm.pl/mostek-pokutnic/
Es gab übrigens ein Happy End. Tekla wurde letztendlich auf Bitten einer Hexe von einem Zauberer befreit.
Heute kann man über den Nordturm die Brücke der Büßerinnen begehen (und darf wohl auch wieder herunter…). Sind allerdings 247 Stufen, und dafür war es mir, als ich dort war, zu warm…
Nicht vergessen darf man, dass Breslau nach dem 2. Weltkrieg fast vollständig zerstört war.
Sie so schön wie sie jetzt ist, wieder aufzubauen, ist schon eine großartige Leistung.
Dom
Das gilt auch für den Dom, der sich gegenüber der Altstadt auf der Dominsel befindet.
Derzeit wird er von innen restauriert.
Vier-Tempel-Viertel
Dies sind einige Straßen westlich der Altstadt, die seit 1995 als „Vier-Tempel-Viertel“ bezeichnet werden. Bei Google Maps findet ihr sie unter der Bezeichnung „Viertel der gegenseitigen Achtung“, und der Name gefällt mir noch besser.
Hintergrund dabei ist, dass sich dort in naher Entfernung vier Kirchen von vier Weltreligionen befinden…
die katholische Kirche des heiligen Antonius von Padua, die als ich sie besichtigte, für eine Hochzeit geschmückt war…
..die jüdische Synagoge zum Weißen Storch (der Name beruht darauf, dass auf dem Grundstück früher ein Gasthaus mit gleichem Namen stand)…
…die orthodoxe Kathedrale der Geburt der seligen Jungfrau Maria, die, als ich dort war, geschlossen war (ob man sie überhaupt besichtigen kann, konnte ich nicht in Erfahrung bringen)…
…und die evangelische Kirche der Göttlichen Vorsehung, von der ich leider kein Foto habe. Ich hatte keine Lust mehr, sie zu suchen (habe ich schon erwähnt, dass es sehr warm war?).
Stattdessen habe ich mir lieber ein nettes Restaurant gesucht. Das ist nämlich der Hauptgrund, warum ich euch das Vier-Tempel-Viertel empfehle. Es gibt hier viele (ruhige und günstige) Lokale und Restaurants, in denen man auch draußen sitzen kann.
Breslauer Zwerge
Was fotografieren die denn da?
Einen Zwerg…
Und das ist nur einer von mehreren hundert, die ihr im Stadtgebiet von Breslau finden könnt.
Ursprünglich hatten die Zwerge eine politische Bedeutung. In den 80er Jahren gründete sich die antikommunistische Bewegung „Orange Alternative“, die Breslau mit Zwergen-Graffitis „überschwemmte“. Auch Happenings mit Menschen in Zwergenkostümen fanden statt. Die größte Aktion gab es am 1. Juni 1988: mehrere 1000 Breslauerinnen und Breslauer versammelten sich mt selbst genähten oder gebastelten Zwergenmützen.
2001 wollte die Zeitung „Gazeta Wyborcza“ mit einem Zwerg dieser Bewegung ein Denkmal setzen und schrieb einen Wettbewerb aus. Im Ergebnis wurde der erste Zwerg aufgestellt. 2005 gab die Stadt weitere in Auftrag. Das war der Beginn der „Zwergeninvasion“. Angeblich soll es mittlerweile über 700 geben; wieviele es genau sind, weiß niemand. Es gibt zwar eine Karte, die man in der Touristeninformation kaufen kann, aber die ist völlig veraltet. Wobei man sie auch nicht braucht. Ich habe in 2 1/2 Tagen, ohne groß zu suchen (sondern nach dem Motto „Huch, da ist ja noch einer“), 35 Zwerge oder Zwergengruppen entdeckt. Und jeder war ein Erfolgserlebnis!
Einige sind erkennbar Werbung für die Einrichtungen oder Geschäfte, vor denen sie stehen…
…aber die meisten sind private „Liebhaberei“…
…Zwerginnen sind (noch) weit in der Minderheit…
….und neben dem Nationalen Musikforum findet man ein ganzes Zwergenorchester.
Jahrhunderthalle
1911 wurde ein Architektenwettbewerb für ein großes, modernes Veranstaltungs- und Messegebäude ausgeschrieben. Gewinner war der Architekt Max Berg mit einem sehr visionären Projekt. Innerhalb von nur 13 1/2 Monaten wurde die Jahrhunderthalle errichtet – 42 m hoch, 95 m breit und damals das Gebäude mit der größten freitragenden Kuppel der Welt (65 m Durchmesser). Deshalb und weil als Baustoff der noch wenig erprobte Stahlbeton verwendet wurde, rechneten Fachleute damit, dass die Halle, sobald sie frei steht, in sich zusammenfallen würde. Deshalb war niemand von den Arbeitern bereit, die Verschalungen zu entfernen. Dies tat dann der Architekt selbst, zusammen mit einem Passanten, dem er dafür eine Goldmünze versprach.
Und siehe da – die Halle blieb stehen und steht bis heute. Sie wurde im 2. Weltkrieg nur wenig zerstört und 1948 mit einem Weltkongress der Intellektuellen wiedereröffnet. Damals wurde auf dem Platz vor ihr eine 86 m hohe Stahlnadel errichtet, die Iglica.
Im Informationszentrum gibt es eine Ausstellung über Bau und Geschichte der Jahrhunderthalle. Interessant (nachdem ich mich an die Steuerung gewöhnt hatte…) fand ich die virtuelle „Besichtigung“ mit einer VR-Brille.
Auch wenn ich die architektonische Leistung anerkenne: von innen ist die Jahhurnderthalle, die heutzutage für Sportveranstaltungen, Konzerte und Messen genutzt wird, nicht wirklich schön…
Doch glücklicherweise gibt es in unmittelbarer Nachbarschaft noch ein weiteres Gebäude…
Vier-Kuppel-Pavillon
Entworfen wurde er vom Architekten Hans Poelzig und 1913 als Ausstellungsgebäude, ebenfalls in Stahlbetonweise, fertiggestellt. Ab 1953 befand sich dort ein Spielfilmstudio. Später ging es in das Eigentum des Nationalmuseums über und wurde nach einer umfangreichen Restaurierung 2016 als Museum für Zeitgenössische Kunst wiedereröffnet.
Die hohen, hellen Räume und die umfangreiche Ausstellung mit Werken polnischer Künstlerinnen und Künstler seit der 2. Hälfter des 20. Jahrhunderts haben mir sehr gefallen.
Geheimtipp: Zoo
Ich gebe zu, es war ein ähnliches Foto (Giraffen vor der Jahrhunderthalle) im Internet, das mich überhaupt erst auf die Idee brachte, den Breslauer Zoo zu besuchen.
Den eigentlichen Anstoß gaben dann aber meine weiteren Recherchen: der Breslauer Zoo ist der älteste (1865), größte (über 33 ha) und artenreichste Zoo Polens.
Als ich dort war, habe ich nur polnisch gehört. Touristinnen und Touristen scheinen diesen Geheimtipp noch nicht entdeckt zu haben.
Einzigartig ist das „Afrykarium“, in dem man die Tierwelt, vor allem die Wasserwelt verschiedener afrikanischer Länder bestaunen kann. Die Plexiglasaquarien und -tunnel geben den Tieren einerseits genügend Platz, andererseits kommen die Besucherinnen und Besucher ihnen sehr nah.
Das gilt auch für die weiteren Freigehege und Pavillons. Die folgenden Impressionen geben euch einen kleinen Eindruck. Aber: wenn ihr in Breslau seid, solltet ihr den Zoo unbedingt selbst besuchen.